Eine starke Gemeinschaft

Reichesdorfer Nachbarschaften feierten den Richttag nach altem Brauch.
Zügiges Wirtschaftsgeschehen / Von Alwin Zweier


Mediasch.— „Nachdem ein Jahr vergangen ist, versammeln Wir uns hier zum Richttag nach altem Brauch und alter Sitte." Mit diesen Worten begrüsste Alt-Nachbarvater Martin Kloos die Nachbarn der 5. Nachbarschaft in seinem Haus.
Die anderen acht Reichesdorfer Nachbarschaften versammelten sich gesondert zur gleichen Stunde Samstag abend pünktlich 18 Uhr im Haus der Nachbarväter. Damit hatte der Kichttag'86 in Reichesdorf begonnen.

In der 5. Nachbarschaft, zu der auch Vizebürgermeister Horst Meyndt gehört, steht nach altem Brauch die Nachbarschaftslade mit den Schriften und Registern, die weit bis ins vergangene Jahrhundert zurückreichen, geöffnet auf dem Tisch. Schrittführer Michael Wagner verliest den Bericht für das abgelaufene Jahr '85 und es wird der neue, im Alter folgende Nachbarvater sowie der Jung- Nachbarvater bestimmt. Das Amt übernimmt nach dem Schlichttag am Montag in der 5. Nachbarschaft Schmiedemeister Heinrich Hienz. Nach erledigten Rechnungen wird sodann der Richttag als abgeschlossen erklärt.

Zum gemütlichen Teil kommen nun auch die Ehefrauen hinzu. Beim „Offiziellen" dürfen nur die Männer und die Witwen dabei sein. Und dieser gemütliche Teil in allen Nachbarschaften, der bis in die frühen Morgenstunden dauerte, begann hier in der 5. Nachbarschaft, mit einer vorzüglichen Hühnersuppe, der ein noch besserer Braten folgte. Für einen guten Reichesdorfer Tropfen sorgte der „Schaffner", der das Getränk heranzuschaffen hat.

Am schöngedeckten Tisch sitzen tüchtige Wirte. Das erfahren wir von Vizebürgermeister Horst Meyndt. Nachbarvater Martin KIoos hat zwei Milchkühe, einen Jungstier und zwei Säue im Stall zwischen zwei und drei Stück Vieh haben aber die meisten der 5. Nachbarschaft, so- wie übrigens alle Reichesdorfer. Johann Alzner, Fuhrmann in der LPG-Brigade, Nachbarvater der 8. Nachbarschaft, zwei Milchkühe und vier Schweine. Und ebenfalls dieser Nachbarschaft gehört Wilhelm Untch an,der mit sechs Stück die meisten Büffelkühe im Dorf hat. Reichesdorf hat im Vorjahr den ersten Platz bei Vertragsabschlüssen für Milch eingenommen und bis Ende Januar d. J. sind für 1986 bereits für 176 Hektoliter Milch, rund 100 Schweine, 50 Stück Gross- und Jungvieh, 800 Kilogramm Geflügel und 80000 Eier Verträge mit dem Staat abgeschlossen worden. Man schafft eben etwas in Reichesdorf. Und in und durch die Nachbarschaften. Was die .Nachbarschaften zusammenhält, ist die „ gemeinsame Arbeit; die gegenseitige Hilfe, sagt man hier in Reichesdorf.

Doch zurück zum Richttag, zum Richttag der neun Reichesdorfer Nachbarschaften, von denen die 3. und 5. die stärksten sind. Auf der Suche nach dem ältesten Nachbarschaftszeichen und der ältesten Nachbarschaftslade haben wir die Nachbarschaften von Samstag abend bis Sonntag abend alle besucht, was nach Meinung der Reichesdorfer schon eine Leistung darstellt. Das älteste, holzgeschnitzte Nachbarschaftszeichen fanden wir in der 8. Nachbarschaft. Jahreszahl 1827, die Nachbarschaftslade aus 1830.

Gegenseitige Besuche der Nachbarschften gibt es nur am zweiten Tag. Eine Ausnahme durften wir da machen. In der 3. Nachbarschaft, mit Alt-Nachbarvater Schmiedemeister Andreas Weinrich, dem Johann Hügel im Amt folgt, beste Stirmmung. Junge Ehepaare, es wird flott getanzt, Hans Greger ist auch hier, der Spassmacher. Und Kulturheimleiterin, unsere fleissige NW-Korrespondentin Hanni Schuster, die auch für Schwung sorgt.

7. Nachbarschaft, die sich selbst „Ober- hirschtaler" benannte.'Nachbarvater LPG- Bauer Hans Wachsmann lädt den Reporter zum. Holzfleisch für Sonntag vormittag pünktlich 10 Uhr ein. Wer verspätet, bekommt einen „Nassen" (Schnaps) und mehrere „Trockne" (die Rute) als Strafe und kann auch von zu Hause abgeholt werden, eventuell in der Schweinemolter und zum Nachbarvaterhaus gebracht werden. Natürlich wurde verspätet. Im Haus. der freundlichen Gastgeber, dem ' Rentner-Ehepaar Lassner, wurde dem Reporter ein Ständchen gebracht, sodann wurde er gefesselt und abgeführt. Der „Nasse" schmeckte, die „Trocknen" zwickten.
Spass muss sein. Dies hörte man an diesem Sonntag, der auch ein, „Marientag" war, in allen Nachbarschaften. Die Reichesdorfer sind ein witziger Menschenschlag. Das liess sich dann den ganzen Sonntag über auch bei der l. Nachbarschaft, bei Nachbarvater Hans Alzner (Nachfolger Wilhelm Schuster), in der 2. bei Martin Hügel (die vierte war ausgeflogen), in der 6. bei Wilhelm Hügel und in der 8. bei Hans Alzner und der 9. bei Andreas Greger feststellen. Das Reichesdorfer Richtfest ist Montag abend mit dem Schlichttag nach altem Brauch und alter Sitte ausgeklungen. Es wurde nicht nur getanzt und gewitzelt, sondern schön gesungen und auch Gedichte wurden vorgetragen. Das besonders in der 5. Nachbarschaft und in der „Oberhirschtaler".

 Alwin Zweier
(Zugesendet von Heinrich Bruckner)

 











 

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