Die Reichesdorfer Kirche und ihre ursprüngliche Wehranlage wurden auf einem Vorsprung, einem Ausläufer des Retterberges (im Reichesdorfer Dialekt Rätterbarch genannt) gebaut, der die beiden Täler und die beiden Bäche in der Dorfmitte trennt. Das Haupttal, das sich von Birthälm herauf in Richtung Schlattner-Hill zieht, erhält hier eine Verzweigung, das Kirchtal (im Dialekt Kerchtel) genannt. Es ist zu vermuten, daß dieser Ort sowohl aus urbanistischen als auch aus strategischen Gründen gewählt wurde. Er liegt im Mittelpunkt einer sternförmigen Verzweigung, von der aus sich die Häuserreihen ausdehnen konnten. Strategisch gesehen, war dieser Punktunter den damaligen wehrtechnischen Verhältnissen - vorteilhaft, weil er schwer zugänglich war.
Die bei der Grundlegung der Schule in einer Entfernung von etwa 40 Metern der Kirche gegenüber liegend - gefundenen geologischen Schichten, lassen darauf schließen, daß hier früher sumpfiges Gelände war, das einen Angriff von der Nordseite her nicht zuließ. So ist vielleicht auch zu erklären, warum die Wehranlage nur an der Südseite mit Wehrtürmen versehen war (von dieser Seite war ein Angriff möglich), während die ganze Rundung der Wehrmauer auf der Nord-Nordostseite ungeschützt blieb. Möglich ist auch, daß das Bachbett des Kremer-Wadelbaches ursprünglich die in der Karte eingezeichnete Führung hatte, was auch durch den Verlauf der Höhenlinien zu erklären ist. Vermutlich war die ganze Bachau versumpft.
Dies ist ein malerisch schöner Ort, an dem die Kirche einen richtigen Blickfang bildet, wenn man sich der Dorfmitte aus Richtung Birthälm nähert Wahrscheinlich hat man schon bei Baubeginn um die Mitte des 13. Jahrhunderts daran gedacht, etwas Sehenswertes zu schaffen. Die Gemeinde war wirtschaftlich stark und stand laut Statistik an 5. - 6. Stelle im Mediascher Stuhl und dieses wollte man auch zeigen. Es war der erste neue Kirchenbau im Mediascher Kapitel, vor Birthälm, Mediasch und Meschen, die wirtschaftlich stärker waren. Man wollte wohl den Beweis des Könnens liefern, der vollends gelungen ist. Um dieses zu unterstreichen, ist es wohl richtig, hier einen Fachmann, den Architekten Dr. Paul Niedermeier, zu zitieren, der am 24. Oktober 1986 in der Zeitung „Die Woche" folgendes über die Reichesdorfer Basilika schreibt:
Die Reichesdorfer Basilika
In den Mediascher Stuhl, zu dem auch Reichesdorf gehörte, kamen unsere Vorfahren erst im 13. Jahrhundert, etwas später als in die Gebietsstreifen zwischen Broos und Draas. Als sie etwa ab 1350 mit dem Bau der Kirchen beginnen konnten, waren Romanik, Frühgotik und Hochgotik schon vorbei. So entstanden in den meisten der großen Dörfer ursprünglich Basiliken, die einer frühen Phase der Spätgotik angehörten. Weil aber die Orte der Gegend, dank des Weinbaues besonders reich waren, wurden aufwendige Bauten errichtet. Man hat häufig diesen Aufwand als das Ergebnis eines unerklärten Wettstreites zwischen den Orten ausgelegt. Der im Laufe der Zeit wenig veränderte Bau in Reichesdorf gehört zu den schönsten und ist nach Victor Roth als Dorfkirche von einer beispiellosen „Einheitlichkeit und Folgerichtigkeit".
Nach einer kurzen Unterbrechung der
Bautätigkeit fügte man - unter dem
In der Konzeption des
Innenraumes sind die
Ähnlichkeiten mit
Hermannstadt offensichtlich:
Zuerst war ein
einheitlicher Gesamtraum
vorgesehen. Die
Raumentfaltung im
Mittelschiff und weiter
im Chor, zum Hochaltar
hin, wurde vor
allem durch den Lettner
eingeengt, wobei die nur wenig vorstehend geplanten Vierungsbögen diese Gliederung nur
diskret in der Langhausgestaltung widerspiegeln sollten.
In Ermangelung des Querschiffes konnten die relativ hohen Seitenchöre nicht mehr
organisch in das Raumgefüge eingegliedert werden, das Hauptchor
Die neueren Eingriffe haben dieses
Raumgefüge wesentlich verändert. Als
im Zusammenhang mit der Reformation
der Lettner fiel, wurden die Räume von
Mittelschiff und Chor zwar organisch
verbunden, aber die starken Bögen gliedern ihn auch weiterhin. Da ein bedeutender Teil des Hauptschiffes durch die
Orgelempore verbaut wurde, befinden
sich nun die erwähnten Bögen in der
Mitte der Kirche, welche durch diese
Strukturierung etwas unruhiger wirkt.
Die Vielfalt und Reichhaltigkeit der Schlußsteine wiederholt sich auch in den
Konsolen, von denen die Dienste der Gewölberippen aufsteigen. Pfeiler und
Gurtbögen sind an den Kämpferpunkten von Kapitellfriesen und Gesimsen umgeben,
in denen spätgotisches Blattwerk mit Masken und Tierformen abwechselt, alle der
Natur abgelauscht, von höchster Bewegtheit, die dennoch nicht unruhig wirkt! Jeder
Bewegung entspricht sogleich eine Gegenbewegung, die wellenartig oder züngelnden
Flammen gleich das ganze Kapitellfries durchläuft. Brombeerblattranken, Weinreben,
Sonnenblumenketten, tief
Wie schon erwähnt, wurde die Orgel im Jahre 1788 aufgestellt. Soweit bekannt, ist die alte
Orgel an die Gemeinde Kirtsch verkauft worden.
Die Orgel hat ein Manual, ein Pedal und zwölf Register. Die notwendige Luft wurde mit
Hilfe eines Blasebalges erzeugt, der mit dem Fuß getreten wurde. Dies war schon immer
Aufgabe des Burghüters. In den letzten Jahren wurde er von dieser Arbeit durch einen
elektrisch betriebenen Ventilator enthoben.
Abendmahlkelche
Die Arbeiten daran wurden vor der Mitte des 14. Jahrhunderts in Angriff genommen. Man
betraute die Bauhütte der Hermannstädter Marienkirche damit. Nach
Einzelheiten und vor allem nach den
Fensterformen zu urteilen, vollendete
wahrscheinlich der gleiche Werkmeister
(Architekt) in Hermannstadt das
Querschiff und begann das Langhaus.
In Scharosch an der Kokel, Eibesdorf,
in Kirtsch und Bogeschdorf errichtete
er die Chöre. Auch in Reichesdorf geht
das Chor auf ihn zurück. Geplant waren
ursprünglich auch ein schmäleres
Querschiff und ein dreischiffiges
Langhaus. Vom Querschiff entstanden
jedoch nicht viel mehr als ein
großer
Teil der Ostmauer sowie die
Vierungspfeiler und -bögen, vom
Langhaus vermutlich das erste Joch des
Mittelschiffes.
In den folgenden Bauetappen wurde auf
das ursprünglich vorgesehene Querschiff verzichtet, das Langhaus aber gegen Ende des 14.
und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts - nun wieder unter dem Einfluß Hermannstadts
- zuerst auf der Süd-, dann auf der Nordseite fertiggestellt und nach und nach eingewölbt.
Dabei erhielt das Mittelschiff eine größere Höhe als anfangs geplant und der alte
Vierungsbogen kam dementsprechend verhältnismäßig tief unter das neue Gewölbe zu stehen. Die Chormauern mußten - damit der Bau mit einem durchgehenden Dach eingedeckt
werden konnte - etwas
erhöht werden. Laut
einer Inschrift soll die
Kirche 1451 fertiggestellt worden sein, doch
sind nachher je eine
Portalvorhalle auf der
Süd- und Nordseite,
eine Wendeltreppe, ein
Dachreiter und schließlich eine neue Orgelempore hinzugekommen.
Eine nennenswerte Änderung brachten die beiden Seitenchöre in dieses Konzept. Da sie
merklich höher als die Seitenschiffe sind, war eindeutig daran gedacht worden, die Chöre -
d.h. die kultisch am meisten gebundenen Bauteile - besonders zu betonen.
Bis zum Schluß wurde jedoch dieses Vorhaben wieder fallen gelassen. Da man vom
Querschiff absah, fehlte jetzt der trennende, anders ausgerichtete Raum zwischen Ostwerk
und Langhaus. Letzteres wurde ostwärts verlängert und stieß nun direkt, und damit härter an
die Choranlage; nur der tiefer heruntergezogene Vierungsbögen bildete vor dem Triumph-
bogen ein überleitendes Element.
Einprägsam ist auch das Äußere des
Baues. Zwar ist in den Seitenansichten
die Diskrepanz zwischen Seitenchören
und -schiffen sehr ausgeprägt, aber die
geschlossen konzipierten Ost- und
Westansichten wirken, als Ausdruck des
basilikalen Aufbaus, um so organischer
gestaltet. Zumal die Westseite, mit
ihrem etwas vortretenden, besonders
reich ausgebildeten Portal und dem
darüber angeordneten großen Fenster,
macht den Eindruck großer Klarheit.
Nur wenige gotische Basiliken sind später nicht in Hallenkirchen umgestaltet
worden. So kommt dem Reichesdorfer
Westansicht-Hauptportal und Wehrturm
Bau eine besondere Bedeutung zu: Seine Konzeption, in der Auswirkungen verschiedener
Bauhütten innig verflochten sind, zeugt für eine wichtige Phase unserer Bau- und
Kulturgeschichte.
Dr. Paul Niedermaier
Aus: Die Woche, Jg. 19, Nr.984, v. 24.0kt.l986, Seite 6
Das Thema dieses Bauwerkes ist aber damit noch nicht erschöpft. Aus einem Artikel der
Buchreihe „Komm mit" zitieren wir einen anderen Fachmann, der das Künstlerische, die
Vielfalt der dekorativen Steinmetzarbeiten in der Reichesdorfer Kirche, unterstreicht:
Fünf Paar Arkadenbögen verbinden Mittel- und Seitenschiffe, vier davon schließen
spitzbogig ab, das fünfte an den Triumphbogen anschließende Paar ist beinahe halb-
rund geschlossen und entspricht einem nahem quadratischen Gewölbejoch, das dazu
bestimmt war, einen Turm zu tragen, der aber nie ausgeführt wurde. Darauf weisen
auch die massiven oktogonalen Pfeiler hin, die das Joch tragen, sie sind durch breite
Wandvorlagen und bis auf den Boden herabgezogene Gurtbögen verstärkt.
Hier unterbrechen wir den Verfasser, um eine Anmerkung einzufügen.
Vermutlich hat der Schreiber dieser Zeilen den Kirchenraum eingehend besichtigt, darauf
deuten die abgebildeten Details. Bestimmt hat er aber den Dachboden nicht gesehen, um sich
über die ursprüngliche Form des Baues zu unterrichten. Denn zu dem Turm über dem
quadratischen Gewölbejoch besitzen wir einige Aufzeichnungen, die dem obigen Wortlaut
widersprechen. Es sind Angaben aus der Chronik des Daniel Bruckner (1825-1911), der dazu
Selbsterlebtes schreibt:
Auf unserer Kirche, da wo jetzt das kleine Türmchen steht, stand mit dicken Mauern
ein Turm mit Schindeln gedeckt. Der Herr Pfarrer Josef Fabini (1845-1852 Pfarrer in
Reichesdorf) zusammt des Presbyteriums erkannten es für schändlich und so
beschlossen sie, ihn herunter zu nehmen. Zum Andenken wurde ein kleines Türmchen hinge-
stellt. Dies geschah im Jahre 1847. Der Maurerpolier Michael Weinrich von Birthälm
führte den Dachstuhl und die Mauern ab. Der Zimmermeister Orban aus Großkopisch
stellte das kleine Türmchen hin, der Klempner Wolf von Birthälm deckte es. Was es
gekostet hat, ist mir nicht bekannt.
Und nun weiter das Zitat aus „Komm mit", das wir unterbrochen haben:
Alle drei Schiffe sowie Haupt- und Nebenchöre tragen Kreuzgewölbe, deren steinerne
Diagonalrippen sich in runden, relief geschmückten Schlußsteinen treffen, während die
Gurtbögen Wappenschilder tragen:
Kein zweiter ländlicher Sakralbau Siebenbürgens ist so reich an kunstvoll
gemeißelten Schlußsteinen verschiedenster Thematik und Komposition.
Die des Langhauses und der Nebenchöre haben auch eine
Von vegetalen zu zoomorphen und figürlichen Kompositionen, von symbolhafter
Interpretation zu rein dekorativer Auffassung, zeugen die 25 Schlußsteine der Basilika
vom Ideenreichtum und Formenschatz, sächsischer Steinmetzen. Es scheint, als hätten
die Reichesdorfer, die ihrer Basilika im Äußeren nicht die imponierende Wirkung des
Birthälmer Monumentalbaus verleihen konnten, letzteren wenigstens in der
Innenausstattung übertreffen wollen - was ihnen zweifellos gelungen ist!
So faszinierend reichhaltig ist dieser plastische Schmuck, daß er stunden-, ja tagelang
vom Blick des Beschauers nachgezeichnet werden kann, ohne ihn zu ermüden. Es geht
eine unerhörte Dynamik von diesen steinernen Ornamenten aus, die uns etwas vom
Lebensgefühl jener Zeit nahebringen, den einzigartigen Elan nachempfinden lassen,
der die Schöpfer dieser Plastik beseelte.
Mehrere Meister waren hier am Werk, einer von ihnen war unzweifelhaft auch in
Hermannstadt tätig; hier wie dort gibt es eine steinerne Kanzel, deren schier
identischer „Predigtstuhl" in der Reichesdorf er Sakristei und der „Ferula" der
Hermannstädter Stadtpfarrkirche steht, während die Baldachine beider Kanzeln
unversehrt heute noch jeweils am zweiten Pfeiler der Nordseite im Mittelschiff
angebracht sind. Bisher war die Hermannstädter Kanzel als einzige in Siebenbürgen
bekannt, deren Baldachin erhalten ist; ihr Reichesdorfer Gegenstück - ja man könnte
ruhig Duplikat sagen - ist eine Entdeckung unserer vorjährigen Forschungsreise. Da
die Kanzel nicht nach Fertigstellung des Baus eingefügt werden konnte, bietet das
Vollendungsjahr 1451 für Reichesdorf ein Datum ante quemfür die Herstellungszeit
beider Stücke.
Wertvollste Steinmetzarbeit ist auch die Umrahmung der Sakramentnische im Chor, in
deren Ziergiebel sich das symbolische Pelikanmotiv wiederholt, Gleichnis der
Selbstaufopferung. Das bedeutendste Werk besitzt Reichesdorf aber im Hauptportal
der Basilika, dessen reichgegliederte Archivolte, von feinen Fialen flankiert, in einem
Risalit der Westfront vorgelagert ist. Die ungemein akkurate Ausführung des ganzen
Gewändes, der Kapitellfriese, der eigenartigen in betontem Relief hervortretenden
Kreuzigungsgruppe des Bogenfeldes weisen die Arbeit einem einzigen Meister zu, den
wir uns aus Böhmen oder Polen zugewandert denken müssen, da er den
Dekorationsstil der Prager Parler-Bauhütte nach Siebenbürgen übermittelte. Das
Neuartige, Bedeutende des Lünettenreliefs besteht in der deutlichen Tendenz., die
Szene so realistisch wie nur möglich zu schildern, auch hier die äußere und innere
Bewegung des Lebens in Haltung, Gestik, Mimik sichtbar zu machen. Das Geschehen
soll so packend erzählt sein, daß der Beschauer sich gegenwärtig an den Ort der
Handlung versetzt fühlt. Es ist dies ein von Böhmen ausgehender Stil, der auch eine
Reihe von Werken siebenbürgischer Plastik geprägt hat.
Besonders schön ist die Gewandbearbeitung. Die Vertikalachse der Komposition
bildet das Kruzifix; der schmerzlich bewegten Gruppe trauernder Frauen, zu der auch
Johannes gehört, ist auf der anderen Seite des Kreuzes eine Gruppe von drei in ihrer
aufrechten Haltung unbeteiligt erscheinenden Reitern gegenübergestellt, zur Wahrung
der Kompositionssymmetrie und der Betonung des Kontrastes: Schmerz -
Gleichgültigkeit.
Nicht unerwähnt dürfen drei übereinanderliegende Emporen im Westende des
Mittelschiffs bleiben. Die ursprüngliche ist die Mittlere, wie der Schlußstein ihres
Gewölbes beweist, der jenen des Mittelschiffs gleicht. Darüber errichtete man 1735
das hölzerne „Purscheglater". Beide Emporen sind über die ausgetretenen
Steinstufen der im Treppentürmchen am Südwestende der Kirche aufsteigenden
Wendeltreppe zugänglich. Ende des 18. Jahrhunderts wurde die dritte Empore unter-
halb der ersten eingebaut, zur Aufstellung des „pneumatischen organums" aus 1788.
Damals dachte man bereits nur noch praktisch; die Störung der harmonischen
Raumverhältnisse war den Besitzern der neuen Orgel gleichgültig. Allerdings wirkt
ihr Prospekt mit edler Barockschnitzerei in grün-goldener Farbfassung, außerordentlich vornehm.
Reichesdorf besitzt die am reichsten mit architektonischer Plastik
ausgestattete sächsische Dorfkirche.
Das Vollendungsjahr der Kirche 1451 ist zwei Inschriften zu entnehmen. Die eine ist über
dem Triumphbogen, die andere auf einer Philaktere, die einen Schlußstein des Mittelschiffes
umgibt. Dieser Schlußstein stellt eine Schwurhand dar.
Eine andere Inschrift neueren Datums, die uns Reichesdorfem aber bestimmt vertrauter und
gegenwärtiger ist, befindet sich an der Nordwand des Hauptchores. Sie gibt sowohl
Aufschluß über spätere Instandhaltungsarbeiten als auch über das Bestehen und die Tätigkeit
des Reichesdorfer Frauenvereines.
An der Kirche wurden im Laufe der Jahrhunderte mehrere Arbeiten durchgeführt, von denen
wir die wichtigsten der uns bekannten anführen.
Im Jahre 1600 wurde nach einem Brand der Dachstuhl der Kirche erneuert, so auch im Jahre
1702, ebenfalls nach einem Brand. Im Jahre 1735 wird eine zweite Empore (über der ersten
- jetzt die mittlere), uns als „Altes Purschenglaater" bekannt, errichtet, die wie die
erstgebaute über die steinerne Wendeltreppe zu erreichen ist. Die untere Empore, die heute die
Orgel trägt, wurde vor dem Einbau der Orgel im Jahre 1788 erstellt. Über eine weitere Arbeit
gibt uns wieder die Chronik des Daniel Bruckner Auskunft, aus der wir zitieren:
1856 wird eine neue Kanzel und eine neue Tauf schale durch den Meister
Pekasch, von
Schäßburg gebürtig, verfertigt, 300 Gulden (C. Münzen). Die Taufschale aus Stein, die
alte nur verfeinert, kostet 150 CM., unter dem Pfarrer Samuel Kenst.
Wie die Inschrift an der Nordwand des Chores belegt, wurden 1634 Renovierungsarbeiten
im Chor durchgeführt. Die Instandsetzungen von 1895 trug der Reichesdorfer Frauenverein.
Nicht zu vergessen ist auch die mühevolle Arbeit der Bruderschaft, die auf Anregung von
Herrn Pfarrer Heinrich Gottlieb Schneider (1957-1970 Pfarrer in Reichesdorf) geleistet
wurde. Mit Stahlbürsten, Spachteln und ändern Werkzeugen wurden die dekorativen
steinernen Bauelemente freigelegt, die im Laufe der Jahrhunderte unfachgerecht übertüncht worden
waren. So wurde das architektonische Innenbild der Kirche wirkungsvoll aufgewertet. Die
letzte größere Arbeit an der Reichesdorfer Kirche ist die äußere Renovierung im Jahre 1988.
Diese Arbeit fällt in die Dienstzeit des letzten Reichesdorfer Pfarrers Hans Binder (1970-
1991 Reichesdorfer Pfarrer) und wurde von diesem mit viel persönlichem Einsatz
vorangetrieben.
In der Kirche befinden sich einige Einrichtungsgegenstände von besonderem Wert:
Der Altar
Der Altar ist das Werk des Schäßburger Bildhauers und Malers Johann Folbarth aus dem
Jahre 1775. Dieses geht aus einer Inschrift, die sich auf einer Kante der Mittelnische
befindet, hervor. Die Kosten beliefen sich auf 568 Gulden.
Bei diesem Altar vereinigen sich Motive des Barock und des Rokoko. Die gewundenen
Säulen, das kräftige Gesimse und die korinthischen Säulenkapitelle sind barock. Die aus
Netzwerk und Schnörkeln bestehenden flügelartigen Ansätze, weisen auf das Rokoko hin. In
der Altarmitte ist eine Nische mit einer Holzplastik des Gekreuzigten. Daneben sind in
Lebensgröße die Holzfiguren Johannes des Täufers und Johannes des Evangelisten zu sehen.
Beidseitig steht je eine gewundene Säule. Über jeder dieser Säulen schwebt eine Engelfigur.
Das Oberbild zeigt den Heiland im Kampf mit der Teufelsschlange. Der Altar wird von einer
Engelfigur in Lebensgröße gekrönt. Auf dem Altartisch steht ein schmiedeeisernes, leichtes
Lesepult.
Die Orgel
Aus der lateinischen Inschrift, die sich auf der Rückseite der Orgel befindet (die wir hier
wiedergeben) geht hervor, daß die Orgel von Johannes Prause angefertigt und aufgestellt
wurde.
D.O.M.S.
ORGANUM HOCCE PNEVMA-
TICUM AERARII ECCLESIASTICI
SUMTIBUS EXSTRUCTUM EST A.O.R. 1788 MENSE Sept.
PASTORE: JOHANNE GEORGIO
AUNER VILLICO: GEORGIO NEMENTZ Sen. PRO-VILLICO: JOHANNE MELTZER
AEDITIUS: MARTINO SYLL Sen.
et GEORGIO FERNENGEL ARTIFICE: JOHANNE PRAUSE
Inschrift auf der linken Seite
(bezieht sich auf den Bau der Orgel)
AURO VERO PICTORIO COLO-
RIBUSQUE EXORNATUM
ANNO 1792 MenseAugusto EODEM, QUO EXISTENTE ERE-
CTUM EST PASTORE; IURARO: MARTINO FERNENGEL Sen. VILLICO: GEORGIO NEMENTZ Sen.
PRO-VILLICO: MARTINO DROTLEFF AEDITIUS: ANDREA HÜGEL et
MARTINO DROTLEFF
ETIAM PRO-VILLICO
Inschrift auf der rechten Seite
(bezieht sich auf das Orgelprospekt)
Die Inschrift gibt uns auch Aufschluß über die Ortswürdenträger Reichesdorfs von 1788. Das
Prospekt der Orgel (Schauseite der Orgel - Pfeifenaufbau) wurde im Jahre 1792 erstellt. Es
ist eine edle Barockschnitzerei, in grün-goldener Farbfassung, die das Ganze sehr vornehm
erscheinen läßt.
In den Jahren 1909 und 1935 wurde die Orgel gründlich überholt, das letztemal durch Karl
Einschenk aus Kronstadt. Dies ist aus einer Plakette über der Tastatur ersichtlich.
Sakramentnische und Kelche
Links vom Altar, in der Nordwand des Hauptchores, befindet sich eine Meßnische, deren
Umrahmung wertvollste Steinmetzarbeit ist. Im Ziergiebel wiederholt sich das Pelikanmotiv,
wie im Schlußstein des Chores: Der Pelikan, der seine Jungen mit dem Blut seiner Brust
nährt. - Gleichnis der Aufopferung.
An dieser Stelle ist es wohl angebracht, auch die beiden Kelche aus dem Besitz der Kirche
zu erwähnen und sie hier in Abbildungen zu zeigen. Es sind Zeugen siebenbürgischsächsischer Goldschmiedekunst.
Beim Betrachten dieser Abendmahlkelche drängt sich uns ein Bild auf. Wir sehen ehrwürdige
Bauern und Bäuerinnen, Burschen und Mädchen in schöner Kirchentracht, dem Alter
nach geordnet, vor den Altar treten, um das heilige Abendmahl zu empfangen. Ein Bild
vergangener Tage!
Entstehungszeit:
um 1500
Reichesdorf.
Silber, vergoldet. Höhe 212 mm, Schalendurchmesser 105 mm, Gewicht 460gr.
Reichesdorf.
Silber vergoldet Höhe 210 mm, Schalendurchmesser 95 mm, Gewicht 400 gr.
Die Sakristeitür
Ein kleines Juwel der Reichesdorfer Kirche stellt die Tür
zum nördlichen Nebenchor,
der Sakristei, dar. Sie ist aus
Lindenholz gefertigt und mit
reicher, kunstvoller Einlegearbeit versehen. Unter der
Jahreszahl 1516 ist auch das
Reichesdorfer Wappen dargestellt: ein Reiher, der mit seinem Schnabel einen Fisch aus
dem Wasser zieht, darüber ein
Stern mit sechs Zacken.
Interessant sind auch die hand-
gefertigten Eisenbeschläge
und das Schloß.
Wichtig ist noch zu erwähnen,
daß diese Tür bestimmt von
dem Meister gefertigt wurde,
der im Jahre 1515 auch die
Sakristeitür der Birthälmer
Kirche hergestellt hat.
Letztere wurde wegen ihrer
besonders kunstvollen und
komplexen Verriegelung auf
der Pariser Weltausstellung
von 1892 gezeigt. Die Einlegearbeiten und der mechanische Teil zeigen eindeutig, daß derselbe Meister an beiden
Türen tätig war.
Das Gestühl
In der Kirche befindet sich Holzgestühl aus dem 16. Jahrhundert. Es ist mit feinen
Einlegearbeiten und Schnitzereien geschmückt. Leider wurde diese wertvolle Ornamentik im
Laufe der Zeit stark beschädigt.
Grabsteine in der Sakristei
In der Sakristei befinden sich zwei in Stein gehauene Grabplatten, die vor allem historischen
Wert haben. Das eine Grab erinnert an den 1593 in Reichesdorf verstorbenen Pfarrer
Franziskus Elisius. Im Oberteil ist der Verstorbene mit dem Kelch in der Hand dargestellt
und darunter befinden sich seine Lebensdaten. Die zweite Grabplatte zeigt in reicher
Ornamentik das Brustbild des 1630 verstorbenen Pfarrers Georg Peltz.
Arkadenbögen mit Konsolen
Die Wehranlage
Kurz nach Fertigstellung der Kirche folgten für die Siebenbürger Sachsen, wie auch für
unsere Reichesdorfer Vorfahren, schwere Zeiten. Schon während der Bauzeit der Kirche
begannen 1420 die ersten Türkeneinfälle in Siebenbürgen. Raubende und plündernde türkische
Reiterhorden, begleitet von ihren walachischen Vasallen, durchstreiften das Land. Diese
Überfälle wurden immer häufiger, und man ging daran, Maßnahmen zu ergreifen, um sich
selbst und das Lebensnotwendigste zu schützen. So wurde die Kirche etwa im Jahr 1500 mit
einer Wehranlage versehen.
Es war ein einfacher Mauerring mit drei Wehrtürmen. Zwei davon stehen heute noch. Der
eine ist der heutige Glockenturm vor dem Westportal der Kirche, der 1861 umgebaut und
erhöht wurde. Der zweite Turm steht am Südostrand und ist in das jetzige Predigerhaus ein-
bezogen. Im südlichen Burghof, der etwas geräumiger ist, stand bis 1910 noch das alte
Rathaus und ein Burgfried. Da die Anlage im ebenen Gelände lag, wurde ein hoher
Mauerring angelegt. An den Anschlußstellen am Westturm ist heute noch die Höhe von etwa
fünf Metern zu messen. Der Westturm und der im Südosten waren für die Bewachung je
einer Einfahrt zur Burg ausgelegt, was aus den noch erkennbaren Rundbögen, der Lage der
Schießscharten und der Pechnasen abzuleiten ist.
Der Burgfried an der Südmauer diente in Zeiten der Belagerung dem Pfarrer als Wohnung
und während des Friedens befanden sich da die Schulräume. Daß die Ringmauer an der
Nordseite nicht mit Türmen verstärkt wurde, liegt wohl daran, daß die Anlage von dieser
Seite nur schwer zugänglich war, weil hier vermutlich sumpfiges, überflutbares Gelände
schützte.
Viel ist heute von dieser Wehranlage nicht mehr übrig geblieben. Als im Jahre 1890 die neue
große Schule gebaut wurde, hat man das nötige Baumaterial dafür durch Abriß der
inzwischen baufällig gewordenen und wehrtechnisch nicht mehr nutzbaren Anlage beschafft.
Zuerst fiel die Nordwand den Erfordernissen zum Opfer und dann 1910/1911, als auch der
Gemeindesaal gebaut wurde, der Rest: das Rathaus, der Burgfried und ein Teil der Südmauer.
Kirche: Südansicht mit Wehrturm und Rest der Ringmauer
Heute stehen nur noch der Westturm (zum Glockenturm erhöht und ausgebaut), der
Südostturm, der teilweise ins Predigerhaus einbezogen ist und die Südmauer in einer Höhe
von zwei Metern. Aber wir dürfen, weil Reichesdorf heute keine Burg mehr hat, das Handeln
unserer Vorfahren nicht verurteilen. In ihre Lage versetzt, verstehen wir die Notwendigkeit.
Die Wehranlage war zur Verteidigung nicht mehr von Nutzen, dazu baufällig, und die
Instandhaltung kostete viel Geld und Arbeit. Wozu? werden sie sich gedacht haben. Man
setzte auf bessere Bildung, die wirtschaftliche Vorteile brachte. Auch die Zahl der
Schulpflichtigen war gestiegen. Der Burgfried war für den Schulunterricht ungeeignet. Dazu
kommt noch, daß es in der Gegend um Reichesdorf fast kein Steinmaterial gibt, hatte man
die Brocken doch schon durch alle Zeiten für den Bau der Kirche, der Wehranlage und der
eigenen Häuser gesammelt und genutzt. So betrachtet, ist gegen das Handeln unserer Väter
nichts einzuwenden. Sie haben uns früh, vor vielen anderen Ortschaften, eine der schönsten
Dorfschulen aufgebaut.
Einzelheiten zum Umbau des Wehrturmes im Jahre 1861 finden wir in der Familienchronik
des Daniel Bruckner.
Er schreibt, daß zur Vergabe der Arbeit am 8. Mai 1861 eine Lizitation stattgefunden hat und
nennt auch die Handwerker, die diese Arbeit erstanden haben. Arbeitsbeginn war am 2.
August 1861, und am 14. November desselben Jahres wurde der neue Turmknopf, der in
Wien gefertigt worden war, aufgesetzt.
Durch diese Arbeit wurde die Mauer des alten Wehrturmes (Westturm) um 5 Klaftern (etwa
9,5 m) erhöht, der neue Dachstuhl bekam eine Höhe von 8 Klaftern (etwa 15 m). Die
Gesamtkosten beliefen sich auf 6.540 Gulden österreichischer Währung. Daniel Bruckner
nennt auch die Reichesdorfer Würdenträger unter deren Amt diese Arbeit ausgeführt wurde.
Es sind: Pfarrer Josef Josefi, Richter Stefan Schuster, Kirchenväter Samuel Stolz und Daniel
Bruckner (der Schreiber der Chronik).
Heute sind wir Reichesdorfer fast alle weit fort von daheim, aber die Erinnerung läßt unsere
Gedanken immer wieder um die alten Türme und Mauern kreisen, die das Herz des Dorfes
sind. Dort stehen Baudenkmäler, die jedem von uns höchste Ehrfurcht vor der Leistung unserer Vorfahren abverlangen.