Reichesdorfer Konfirmanden
von 1953 und deren Lebenslauf

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Mai 1945. Ängstliche Kinderaugen schauen die weinende Mutter an. „Mutter, warum weinst du, und warum läuten die Glocken?"
„Ach Kinder, der Krieg ist aus, aber unser Vater kommt nicht mehr zurück!"
„Unseren Vater kennen wir doch gar nicht. Du musst nicht weinen, du hast ja uns.“
So begann unsere Kindheit. Es sollte aber vieles noch härter kommen.

Wieder läuten die Glocken und verstörte Kinderaugen schauen die weinenden Großmütter an.
„Großmutter, wohin geht die Mutter mit dem Koffer, und warum weinen alle?"
„Kinder, eure Mutter muss nach Russland!“
„Weine nicht, Großmutter, Mutter kommt bestimmt zurück, sie weiß doch, dass wir sie brauchen."
Ob dieser Kinderwunsch in Erfüllung gehen würde?

Doch damit war der Kelch der Bitterkeit noch nicht voll. Den Grosseltern wurde alles genommen, Ackerland, Weingarten, Kühe, Schweine und Möbel – und zu guter Letzt setzte sich ein Zigeuner in unsere Habe, die in schwerer Arbeit durch Generationen aufgebaut worden war.

Uns Kinder haben diese Geschehnisse damals wenig berührt, wir hatten viel Wichtigeres zu tun: Im aufgestauten Bach neben Kühen und Büffeln zu baden, im Winter auf dem Eis zu rutschen und Schlittschuh zu laufen – und dabei zu vergessen, die Arbeiten zu erledigen, die uns aufgetragen wurden: Späne und Holz in die Küche zu tragen, dem Schwein etwas Grünes in den Trog zu geben und einen Eimer Wasser für die Großeltern bereitzustellen.

Die Zeit verflog und die Schule begann. Waren das schwere Tage! Das 1x1, Lesen, Schreiben, später Mathe mit X und Y, Physik, Chemie und oben drauf noch Russisch lernen! Nebenbei mussten wir auch gewisse Feldarbeiten für unser tägliches Brot leisten. Dass uns dann am Abend die Palukes schmeckte, war verständlich.

So vergingen unsere Kinderjahre. Wieder läuteten die Glocken und wir knieten vor dem Altar und gelobten in unserem Glaubensbekenntnis, unserem Glauben treu zu bleiben. Für uns war es ein wichtiger Tag, zum ersten Mal in sächsischer Tracht und Anzug durch die Gemeinde zu gehen und am Abend bis 10 Uhr „auf die Gasse“ zu dürfen. Wie schön war es, uns in der „Allee" zu treffen, wo Freundschaften geknüpft wurden und echte Liebe heranwuchs.

So kam der Herbst 1953 und das Schicksal trennte uns. Viele gingen in die Stadt, lernten ein Handwerk oder besuchten ein Gymnasium. Wie schön war es dann, uns in den Ferien oder an Feiertagen bei einem Theater oder einer Tanzveranstaltung zu Hause zu treffen.

Die Zeit verging und es kam ein Hoffnungsschimmer auf bessere Zeiten. Teilweise waren die Eltern aus Russland heimgekehrt, was freilich nicht allen vergönnt war. Die Zigeuner mussten die Häuser verlassen.

Es kam die Zeit, wo man sich mit dem geliebten Partner vor dem Altar Treue in Freud und Leid schwor. Es folgten glückliche Stunden bei der Geburt unserer Kinder, die wir unter Glockengeläute zur Taufe tragen durften.

Sicher hat dann jeder sein eigenes Schicksal ertragen müssen, das Freude, aber manchmal auch Leid brachte. Doch durch viel Fleiß hat jeder sein Leben gemeistert, wenn auch manchmal unter schweren politischen Verhältnissen.

Es kam das Jahr 1989, wo niemand mehr gewillt war, in diesem Land zu leben. Wir fuhren zurück in das Land unserer Vorfahren, die einst ostwärts zogen, um in Siebenbürgen Geschichte zu schreiben.

Heute sind wir stolz auf unsere Kinder und Enkelkinder und freuen uns, dass es ihnen gut geht und sie zufrieden sind und wir mit ihnen.

Lassen wir nun Sorge und Leid, das uns begleitet hat, beiseite und freuen uns auf das Beisammensein, das uns vergönnt ist. In diesem Sinne erheben wir unser Glas und prosten uns zu mit unserem sächsischen Trinkspruch: „Helf Gott!".

Jinni und Jorch Meyndt 

 


1953 Konfirmation und Abschluss der 7. Klasse in Reichesdorf:

Fröhliches Klassentreffen nach 55 Jahren

Am Freitag, den 12. September 2008, war es so weit: Ich durfte nach 55 Jahren meine ehemaligen Schulfreundinnen und -Freunde wiedersehen. Unentschieden, ob ich wegen dem weiten Weg überhaupt teilnehmen sollte, überredeten mich gute Freundinnen, doch dahin zu fahren. So brachte mich mein Bruder Hans nach Vorderbüchelberg im Schwäbischen Wald (bei Heilbronn). Gut, dass wir ein Navigationsgerät im Auto hatten, denn nachdem wir die Autobahn verlassen hatten, wurde die Fahrt richtig aufregend. Bergauf, bergab und Wald, viel Wald. Dann jede Menge Weinberge mit vielen Trauben! Es war wunderschön, obwohl es die ganze Zeit regnete.

Große Freude
Vor Ort angekommen, war die Wiedersehensfreude sehr groß. So viele hatte ich seit 30 oder 40 Jahren überhaupt nicht mehr gesehen und habe doch alle wiedererkannt. Nachmittags trafen nach und nach alle ein: 24 ehemalige Schülerinnen und Schüler der Volksschule Reichesdorf und 19 Ehefrauen und -Männer. Bei Kaffee und leckeren mitgebrachten Torten und Kuchen wurden die ersten Erinnerungen ausgetauscht. Das dauerte bis zum Abendessen. Nicht allzu spät legten wir uns schlafen, denn am Samstag stand einiges auf dem Programm. Nach dem Frühstück fuhren die, die gesundheitlich fit und gut zu Fuß sind, zur Besichtigung in ein nahe gelegenes Salzbergwerk. Der Dauerregen störte uns nicht, wir waren guter Dinge, haben gelacht, getratscht und viel Interessantes gesehen.

Klassenstunde
Zurück im Gasthof „Zum Goldenen Ritter" ging es ans Mittagessen - aber bitte nicht zu viel, damit noch Platz für das Festessen am Abend bleibt! Beim Kaffee und Kuchen gab es eine große Überraschung. Unser Lehrer Gernot Wagner kam auf einen kurzen Sprung vorbei. Wir waren gespannt, ob er uns noch kennt oder nicht. Es ist nicht leicht für einen Lehrer, der in seiner Laufbahn viele Schüler hatte, sich an alle zu erinnern. Die Klassenstunde wurde vorverlegt, denn Herr Lehrer Wagner wollte noch vor Anbruch der Dunkelheit abfahren. Dann folgten einige Beiträge, die das Treffen unvergesslich machten: Jinni und Georg Meyndt hatten einen schönen, für uns alle ergreifenden Lebenslauf verfasst, von unserer Kindheit bis Schulabschluss und weiter hinaus. Unser Schulfreund Horst Schuller, der mit seiner Familie von 1951 bis 1955 in Reichesdorf lebte, brachte eine Beschreibung unter dem Titel „Mein Reichesdorf" mit, mit Erinnerungen an seinen Vater – unsern Lehrer Erhard Schuller – und mit seinen eigenen Eindrücken aus dieser Zeit. Auch unsere unermüdliche Anni Mild (geb. Schaas) hatte einen schönen Bericht mit vielen Erinnerungen an Reichesdorf vorbereitet. Noch manch Lustiges wurde vorgetragen, viele Fotos wurden gemacht. Herr Lehrer Wagner sprach ein paar Worte über die Zeit in Reichesdorf, über seine Schüler und seine Lehrerkollegen.

Singen, tanzen, feiern
Schön langsam ging es dem Festessen entgegen. Es war lecker und viel, jeder fühlte sich gut. Dann begann der lustige Teil mit Musik und viel Tanz, mit Singen und Schunkeln. Waren das 70-Jährige? Nein, es kam uns allen vor, als wäre unsere Konfirmation gestern gewesen und feierten wir nun alle zusammen. Wie schön alle noch singen können, wie sie alle tanzen – ja, es sind eben Reichesdörfer, die es verstehen, zu feiern. Ziemlich laut war es auch! Schloss man die Augen, hatte man den Eindruck, in Reichesdorf, im großen Saal, auf einer Hochzeit zu sein. Es wurde sehr spät, als wir zu Bett gingen, obwohl einige am Sonntag noch einen langen Weg vor sich hatten.

Abschied und Wiedersehen
Am Sonntag Morgen, nach dem Frühstück, nahmen wir Abschied. Werden wir das Glück haben, uns noch einmal zu sehen? So jung bestimmt nicht mehr. Aber, wenn Gott es will, könnten wir uns in zwei oder drei Jahren wieder treffen, das wäre schön. Im Namen aller einen recht herzlichen Dank den Organisatoren Anni Mild, Peter Kloos und Johann Waffenschmidt, für die schönen Tage, die wir zusammen erleben durften.

Anna Binder (geb. Schuster) .

 

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