Das Pfarrhaus

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Man kann wohl annehmen, daß gleich zu Beginn der Ansiedlung, zusammen mit den ersten notdürftigen Behausungen, neben der Stätte, an der man zu Gott betete, auch eine Wohnung für den Pfarrer errichtet wurde. In einer Urkunde aus dem Jahre 1283 ist er mit Namen „Henricus" erwähnt. Möglich, daß er unsere Vorfahren aus der alten Heimat her begleitet hat. Sein Heim war damals vielleicht kein Prachthaus, wie wir das Pfarrhaus aus unserer Zeit kennen.
Wo das erste Pfarrhaus stand, können wir nicht sagen. Aber es hat ein Pfarrhaus gegeben, denn uns ist aus schriftlichen Überlieferungen bekannt, daß der Pfarrer in Zeiten der Belagerung in den Räumen des Burgfrieds (Wehrturms) Wohnung bezog, woraus zu schließen ist, daß er in Friedenszeiten eine andere Wohnung zur Verfügung hatte. Es ist heute nicht mehr zu belegen, wann mit dem Bau des heutigen Pfarrhauses begonnen wurde und wie es angelegt war. Wahrscheinlich ist der uns bekannte Bau in Etappen und durch Erweiterung entstanden.

Aus geschichtlichen Aufzeichnungen geht hervor, daß Reichesdorf während der Kriegswirren im Jahre 1600 ausgeplündert und samt Pfarrhaus niedergebrannt wurde. Es kann sein, daß danach mit dem Bau eines neuen Pfarrhauses begonnen wurde. In einem Stein, der in der Mauer des jetzigen Pfarrhauses zu sehen ist, ist die Jahreszahl 1622 eingemeißelt. Dies deutet darauf hin, daß er aus einem früheren Gebäude stammt.

Es hat viele Jahre gedauert, bis das Pfarrhaus das Aussehen von heute erreicht hat. Aus Unterlagen geht hervor, daß unser Heimatdorf im Jahre 1702 (Kurutzenkrieg) zum Großteil niedergebrannt wurde. Betroffen war auch das Pfarrhaus mit allen Nebenräumen, das Predigerhaus, der Glockenturm mit Turmuhr und Glocken und alle Baulichkeiten der Kirchenburg. Bestimmt hat man beim Wiederaufbau auch an Erweiterung gedacht, denn zu dieser Zeit (nach der Reformation) hatten die Pfarrer auch Familie. Der Zölibat war für die evangelischen Pfarrer aufgehoben.

Das Pfarrhaus, wie es heute dasteht, wurde 1922 durch gründliche Renovierung des alten Gebäudes neu gestaltet. Diese Bauarbeiten fallen in die Amtszeit von Herrn Pfarrer Andreas Herberth (vom 21. Januar 1920 bis 1954 Pfarrer in Reichesdorf). Möglich, daß bei dieser Gelegenheit auch Erweiterungen gemacht wurden, bestand doch die Pfarrfamilie, beim Amtsantritt von Herrn Pfarrer Herberth, aus sechs Personen. In diesem Zusammenhang zitieren wir aus dem Beitrag von Frau Prof. Eise Herberth (der Tochter von Herrn Pfarrer Andreas Herberth), die sich an ihre Kindertage in Reichesdorf erinnert:

 
                            Das Pfarrhaus vom Friedhofsaufgang gesehen

Fast zwei Jahre hatte die Pfarrfamilie in den alten Gewölben und zum Teil morschen Mauern gewohnt. Ich sehe noch die Esche vor mir, die aus dem Keller durch die Mauer in den Garten wuchs. Bei den Abrissarbeiten wurde ein Stein mit der Jahreszahl 1622 gefunden. Er wurde an gut sichtbarer Stelle auf der Hofseite zur Kirche hin wieder eingesetzt. Die Pfarrfamilie wohnte unterdessen in einem stattlichen, geräumigen Bauernhaus auf Nr. 107 dem „Offnerhaus". Und als das Pfarrhaus fertig renoviert war, galt es als das schönste im Umkreis. Die Familie, der noch ein fünftes Kind, ein Töchterchen, geboren worden war, konnte sich darin wohlfühlen.

 
                                   Das Pfarrhaus, Ansicht aus dem Pfarrhofsgarten

Das Reichesdorfer Pfarrhaus ist ein großes schönes Gebäude, das zum Ort und seinen Bewohnern paßt. Es zeugt von Wohlstand und Fleiß.
Es umfaßt 10 Räume: Küche, Speisekammer, Bad, ein riesiges, helles Eßzimmer, ein übergroßes Wohnzimmer, ein weites Schlafzimmer, zwei Kinder- und ein Fremdenzimmer, wie auch das Arbeitszimmer des Pfarrers. Dazu gehören auch ein Backhaus, der Wein- und der Gemüsekeller.
Das Gebäude liegt an der Südseite der Kirche und grenzt mit seinem Hof an die Südmauer. In demselben Gebäudekomplex sind auch das Predigerhaus und der Südostturm einbezogen. Die Lage ist malerisch. Ein großer Garten umgibt das Pfarrhaus, was aus den folgenden Bildern ersichtlich ist.

Andreas Nemenz (+ 01.10.2005)
 

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